Vernissage Rathausgalerie Winnenden 4. März 2012

Die Rathausgalerie zeigt Arbeiten der Winnender Künstlerin Wolfhild Hänsch.

Er ist bei Vernissagen eine guttuende Tatsache, dass jemand spricht. Es wird stiller; jeder hat die Zeit sich umzusehen. Man kann beginnen zu den gezeigten Arbeiten einen inneren Kontakt aufzubauen und aus den Worten der Eröffnungsansprache entnimmt man Möglichkeiten des Betrachtens, Worte, an denen man ein Bild prüft oder versucht das Wort mit einigen der Bilder zu bestätigen.

Was will der Künstler damit sagen? „Soll das Kunstwerk verbessern?“ Das ist der Titel eines Vortrags von Gottfried Benn, lesenswert. Oder man fragt: „Was für Kunst ist das? Dazu gab es in den Atelier einen Handfesten Spruch. Man sagte: Es gibt drei Arten von Kunst: eine für Gott, eine für den Menschen und die eine für die Kunst.

Diese Definition gibt eine abwechslungsreiche Diskussionsbasis. Auf Grund der hier gezeigten Bilder habe ich mich für heute entschlossen einen kurzen Text von Heinrich Böll vorzulesen. Künstler steht in seiner Entwicklung mehrfach am Scheideweg. Böll sagt:

„Kunst ist eine der wenigen Möglichkeiten, Leben zu haben und Leben zu halten, für den, der sie macht und für den, der sie empfängt. So wenig wie Geburt und Tod und alles, was dazwischen liegt, Routine werden können, so wenig kann es die Kunst. Freilich gibt es Menschen, die ihr Leben routiniert leben; nur: sie leben nicht mehr. Es gibt Künstler, Meister, die zu bloßen Routiniers geworden sind aber sie haben – ohne es sich und den anderen einzugestehen – aufgehört, Künstler zu sein. Man hört nicht dadurch, dass man etwas Schlechtes macht, auf, ein Künstler zu sein, sondern in dem Augenblick, in dem man anfängt alle Risiken zu scheuen.“

Was helfen uns diese Worte vor diesen Bildern. Fertig sind Bilder eigentlich nie. Das was der Künstler zeigt ist eine vielgeprüfte Station von der endgültigen Gestalt. In welcher Zeit die Prüfungszeit stattfindet ob im wesentlichen vor oder im wesentlichen im Arbeitsprozess ist nicht vorherbestimmbar.

Ein Bild besteht aus einer großen Anzahl malerischer Opfer sagte Delacroix als er Rembrandts Kunst gegenüberstand. Ein Maler muss gnadenlos eine brillante selbst eine gute Stelle wegmalen können wenn sie den Geist seiner Arbeit inkonsequent macht, wenn sie ablenkt, wenn sie das Wesenhafte nur interessant macht und dadurch schwächt. Das diese Probleme auftreten sind Risiken, die sich öfter als man denkt in den Weg stellen.

Sehen wir Wolfhild Hänsch Malerei an. Was sehen wir – oder was sehen wir nicht? Wir sehen bei Wolfhild Hänsch keine Formel die durchgehend Bild für Bild grundlos durchgeführt wäre. Es wird keine Struktur oder Pinselschrift als schnelle Erkennungsmarke vorgeführt. Ihre Palette hat nicht eine bestimmte Temperatur Schräglage, die sie beliebig wiederholt. Sie führt uns keine scheinbaren Spontanentschlüsse vor. Man muss nicht auf jeder Hochzeit tanzen. Ernst Heckel sagte über den Beginn der Arbeit der Brücke-Gemeinschaft. „Wohin wir wollten, wussten wir damals nicht. Aber was wir nicht wollten, das wussten wir.“

Nun aber wie geht es uns mit den Bildern Wolfhild Hänsch? Wir spüren in den verschiedenen Bildern durchgehend einen verwandten Klang. Eine Art von stiller Ordnung teilt sich uns mit, ein manchmal frohes Staunen, festliche Bescheidenheit und die Maße sind von behutsamer Strenge. Sie sind unaufdringlich eigen. Das kann man das so für das Ganze sagen und dass man das so für das Ganze sagen kann - und nicht nur obenhin – gründet sich darin, dass das Ganze lückenlos in das Einzelne einzufließen hat und das Einzelne seine Summe in der Gestaltung bestätigt. Einfach gesagt von Delacroix: Erst sieht man alles und dann das Andere.

Wir spüren, es findet ein betreutes Wachstum statt.

Die Kunst ist – bleibt – eine gefährdete Pflanze. Die Malerei und ihr liebes Kind das Bild in dem letzten Halbjahrhundert mehrfach totgesagt worden. Man sagt: Totgesagte leben länger. „Jedes Bild beginnt mit dem Wort hier“, sagt John Berger. Um dem Bild zu diesem Bekenntnis die Lippe zu lösen braucht es unermüdliche Bemühung professioneller wie auch naiver Art. Das um das unsere Bemühung sich sorgt verteidigt man.

Der Titel Bilder (großgeschrieben) für die Ausstellung ist ebenso schlicht wie kein Zufall. Der Ort des Bildes tritt ein in den Ort unseres Lebens. Sein Raum stellt sich in unseren Raum. Der Maler Max Beckmann formulierte „Zeit ist eine Erfindung der Menschen aber der Raum ist der Palast der Götter.“

Ein Raum, der mit Bildern ausgestattet ist – Man denke an die Fresken Giottos, an Wandbilder von Matisse oder Schlemmer – Ein solcher Raum verändert sich anders als ein Raum, der rein mit Gegenständen ausgestattet ist für unser Gefühl. Man kann einwenden unser Auge ist schöpferisch selbst in der leeren Zelle macht es was anderes. Doch schwer erreichbar bleibt die angehäufte Konzentration im Bilde. Wo sich in ihm wie angehäuft ein einst hineingetragenes Sehen, ein hundert-, tausendfach getaner Wimpernschlag, als immer wieder erneuerter Blick summiert. So macht das Bild Räume formerfahrener, substanzreicher und vielfältiger in seiner Mitteilung. Unsere Erfahrung im Erleben von Innen und Außen wird bereichert. Phänomen bleibt am Bild, wie es sich selbst als Innenraum darstellt, wie es Außenräume in sich aufnimmt und mit sich trägt.

Darauf hat die Malerei genau hingesehen, sie spricht in einem Text von der Aufmerksamkeit, auf die Beziehungen, die sich in ihren Fassadenbildern durch die Verflechtung von Innen und Außen ihr aufgetan haben. Das Bild bleibt ein vielschichtiges Phänomen, das mehr in sich verbirgt als es zeigt. Das, was das Bild verbirgt, beherbergt es. Sein Geheimnis ist kein Rätsel.

Nun werden einige von Ihnen fragen, warum kommt nicht zur Sprache, was uns an den Bildern so viel sagt und so lebendig nahe kommt: Die Farbe.

Eine der Eigenschaften von Wolfhild Hänschs Malerei ist, dass sie mit ihrer Farbe die Umgrenzung der Formen kaum verlässt. Ihre Farbe ist sehr persönlich dem verschiedenen Ausdruck zugeordnet und doch fließen Farbenergien und spannen sich für den Zusammenhalt des Ganzen. Hier zeigt sich ihre malerische Phantasie. Das Ergebnis solcher Arbeit am Bild nannte Carl Schuch die coloristische Handlung. Hierin steht Wolfhild Hänsch in der abendländischen Entwicklungslinie der Malerei, die sich ab dem frühen 16. Jahrhundert in Venedig in Gang setzte und das Primat der Farbe vor der Form festsetzte. Es fällt auf, wie Umrisse und Flächen, wie die Formeinfälle schlichter wurden. Man denke an Tizian. Der Grund war. Dass die lebendige und reich sprechende Farbe einen Träger brauchte, der sich nicht vordrängte. Die Farbe ließ sich nicht mehr die Sensation stehlen. Wenn ein Künstler seine Farbe verwirklicht, dient er ihr mit Hilfe der Form. Natürlich herrscht die Form auch noch und regiert ihre Reiche. Aber auch als Geist ist man sesshaft oder man reist. Wolfhild Hänsch hatte sich zum Beispiel Exkursionen in die Region Olaf Schlemmer – Das nur als Beispiel – Es ist Vergangenheit. Die Aufenthaltsstempel hat der Reisepass.

Sehen wir in die Ausstellung. Endlich! Ein Beginn des Hinsehens. Hier im Zentrum hängen 3 große Fassadenbilder. Jedes zeigt auf seine Weise Schwarz-Rot-Gelb in aktiver Kraft. Wenn ich diesen Grundfarbenbegriff verwende, meine ich nicht die wörtliche Anwendung aus der Farbbüchse, sondern ich sehe seine Energierichtung, sein Energiefeld – so wie wir nicht nur Deutsche sondern auch Europäer sind.

Also Schwarz-Rot-Gelb zeigen sich in verschiedenen Kontrastentwicklungen und in einem aktiven Verflochten-sein. Diese Aktion wird eingebettet und flankiert von heller und hell gebrochenen Tönen, die ein Weißerlebnis vermitteln. Real allerdings finden wir ein Ocker-Grau, Gelb-Weiß, Rosa-Grau, Schwarz- und Blau-Grau. Weiß im Bild verwirklicht sich farbig.

Betrachten wir die eindeutigen Töne genauer. Das Rot im linken Bild ist ein orange-rosa dominiertes Bräunlich-Rot. Das mittlere Bild zeigt ein fast vulgäres Flaggenrot und das Rot mit rechten Bild sinkt dunkel in sich einmischend in ein Orange-Braun. Dazu fungiert jeweils das Gelb als eine persönlich Begleitgestalt. Links ein kühleres Zitronengelb, das die Rotverzierung bei ihrem Kokettieren zur Haltung auffordert.Im Mittelbild behauptet sich Gelbkraft als Alltagsocker neben der Rotaufdringlichkeit und Gelb wandert nach unten und fordert das dunkle Braun auf nicht fremd zu tun. Im dritten Bild verbirgt sich Gelb fast ganz im Schwarz in Hoffnung, dass das Licht anwesend bleibt. Es hält warm. Man erlebt es. In der coloristischen Handlung erhalten die Farbenakteure Charakter, finden ihre Aufgabe und – wenn wir weiter hineinsehen – Schicksal. Was ich jetzt ansprach ist Beginn-Beispiel. Zuerst konstatieren wir, dann verbinden wir, schließlich gehört es zu uns. Caspar David Friedrich sagte: „Zum Bild gehört ein Stuhl. Man kann nicht immer so lange stehen bis man gesehen hat und Gefühl zu Gefühl sich ordnet.

Zur Künstlerin will ich ergänzend zur ausliegenden Biographie noch sagen. Es war knapp, dass sie nicht Tänzerin wurde. Sie ist im Elbtal aufgewachsen. Kennt von Kind an mit Reben bepflanzte Hänge und Hügel, die vielfältigen Formen der Obstbäume, die auf den Wiesen stehen und den entsprechenden Himmel darüber. Geboren ist sie in Dresden. Dort gibt es eine achtungsvolle Anzahl nach schwäbischen Poeten benannten Straßen: Hölderlinstraße, Kernerweg, Uhland- und Mörikestraße und Schillerplatz. Seit Generationen lebt die Familie Hänsch in Meißen. In Meißen ging Gotthold Ephraim Lessing ins Gymnasium. Hier in Winnenden geht die Tochter ins Lessing Gymnasium. Ich fühle mich hier sehr wohl schreibt sie in ihrem Arbeitsblatt.